Monsieur Becker

Panorama

Referenzrahmen Informationskompetenz

Samstag, 17. Juni 2017

Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen gibt vor, was ein*e Lernende*r auf welcher Kompetenzstufe können muss. Schulen und andere Bildungseinrichtungen orientieren sich in ihrem Unterricht daran, Anbieter von Zertifikaten und Diplomen ebenso. Mit dem Referenzrahmen Informationskompetenz liegt nun ein vergleichbares Dokument für den Umgang mit Informationen vor.

Über einen Tweet der Arbeitsgemeinschaft Schulbibliotheken Berlin-Brandenburg e.V. bin ich auf den Referenzrahmen Informationskompetenz (PDF) gestoßen. Andreas Klingenberg, Leiter der Bibliothek der Hochschule für Musik Detmold, hat im Auftrag der dbv-Kommission Bibliothek & Schule und der Gemeinsamen Kommission Informationskompetenz von VDB und dbv diesen Referenzrahmen erarbeitet.

Im Vorwort (S. 2) ist zu lesen:

Dem Vorbild des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen folgend, will der Referenzrahmen Informationskompetenz des Deutschen Bibliotheksverbandes e.V. (dbv) die Aktivitäten sämtlicher Akteure zur Entwicklung von Informationskompetenz vergleichbar machen und einen Maßstab zur Messung der Kompetenzniveaus schaffen.

Der Referenzrahmen Informationskompetenz unterstützt jede Bibliothek und jede Bildungseinrichtung dabei, ihre Veranstaltungen und Angebote zur Förderung von Informationskompetenz einzuordnen und zu klassifizieren. Diese Aktivitäten werden damit nicht nur untereinander vergleichbar, sondern erleichtern im Sinne des Lebenslangen Lernens auch den Brückenschlag zwischen unterschiedlichen Institutionen, von Öffentlichen und Wissenschaftlichen Bibliotheken über Schulbibliotheken zu Schulen, Universitäten, Hochschulen und Einrichtungen der Weiterbildung. Der Referenzrahmen Informationskompetenz vermittelt dabei mit Hilfe seiner Teilkompetenzen ein umfassendes Verständnis von Informationskompetenz.

Informationskompetenz

Ein umfassendes Verständnis von Informationskompetenz gewinnt man als Leser*in dieses Referenzrahmens nur bedingt. Es fängt schon damit an, dass im Gegensatz zu anderen Referenzrahmen eine Beschreibung der Informationskompetenz sowie ihrer Teilkompetenzen Suchen, Prüfen, Wissen, Darstellen und Weitergeben (vgl. S. 4) einfach fehlt.

Zur Erleichterung der Referenzrahmennutzung für einzelnen Lernende, sie gehörten zur Zielgruppe des Referenzrahmens (vgl. S. 5), werden die mit den Teilkompetenzen verbundenen Arbeitsschritte (bei Suchen, Wissen und Weitergeben) bzw. Kriterien (bei Prüfen und Darstellen) »auch als Fragen oder leicht verständliche Bezeichnungen« (ebd.) dargestellt. Bei der Teilkompetenz Wissen werden aus den Arbeitsschritten »Wissensbedarf formulieren«, »Quellen finden«, »Quellen auswählen« und »Informationen isolieren« die Fragen »Was will ich wissen?«, »Wo könnte ich es finden?«, »Wo steht es?« und »Was steht da?« (S. 4f.). Dies ist im Grundsatz sehr gelungen, leider ist es jedoch die einzige Bemühung, den Referenzrahmen für Lernende verständlich zu gestalten.

Niveaustufen und Standard

In Anlehnung an den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (= GeR) gibt es die Niveaustufen A1, A2, B1, B2, C1 und C2. A steht dabei für elementare, B für selbstständige und C für nachhaltige Informationskompetenz (vgl. S. 5). Beim GeR werden die Stufen A und B mit den gleichen Adjektiven beschrieben, C jedoch nicht mit »nachhaltig«, sondern mit »kompetent«. Es bleibt bei der Lektüre des Referenzrahmens Informationskompetenz unklar, was mit »nachhaltig« gemeint sein könnte. Die Standards zu dieser Niveaustufe beschreiben eher eine universitäre, ausgeprägte Informationskompetenz als eine wie auch immer geartete nachhaltige Informationskompetenz.

Die Standards sind zumeist verständlich, aber nicht wie üblich als Can-do-Beschreibungen formuliert.

Teilkompetenz Suchen

Die Teilkompetenz Suchen wird wie bereits oben erwähnt in die vier Arbeitsschritte »Wissensbedarf formulieren«, »Quellen finden«, »Quellen auswählen« und »Informationen isolieren« untergliedert.

Die Progression im Bereich »Wissensbedarf formulieren« (vgl. S. 6) finde ich nicht geglückt. Sowohl bei A wie auch bei B und C müssen immer anspruchsvolleren Texten Suchbegriffe entnommen werden, bei B und C sollen in der jeweils höheren Teilstufe (B2 und C2) ausgehend vom Text eigene Suchbegriffe formuliert werden. Die Progression liegt eher in der Textsorte (A1: kurzer Lehrbuchtext; A2: journalistischer Text; B1: überschaubarer populärwissenschaftlicher Text; B2: längerer populärwissenschaftlicher Text; C1 und C2: wissenschaftlicher Text) als in der tatsächlichen Fähigkeit, seinen Wissensbedarf zu formulieren. Offen bleibt, ob mit »Text« nur schriftliche kontinuierliche Texte gemeint sind, was ausgehend von den gewählten Textsorten wahrscheinlich ist, oder ob ein weit gefasster Textbegriff gilt, der unter anderem auch audiovisuelle, Hör-, grafische, formale, Hyper- und diskontinuierliche Texte umfasst. Ein Wissensbedarf ergibt sich im Übrigen nicht nur aus Texten im Sinne des weit gefassten Textbegriffes, sondern auch aus Erfahrungen im Realraum wie Experimenten und Beobachtungen in der Natur.

Die Bereiche »Quellen finden« und »Quellen auswählen« haben identische Standards (vgl. S. 6f.), auch in der Onlineausgabe des Referenzrahmens. Bedenkend, dass diese Dopplung seit der Verabschiedung durch den Bundesvorstand des Deutschen Bibliotheksverbandes im Oktober 2016 nicht korrigiert wurde, ist es anscheinend kein Fehler. Der Sinn erschließt sich mir jedoch nicht. Befremdlich, da wenig zeitgemäß, empfinde ich, dass sich die elementare Informationskompetenz (Niveaustufe A) in diesen Bereichen ausschließlich auf Bibliotheken und deren Kataloge beschränkt.

Der vierte Bereich der Teilkompetenz Suchen ist »Informationen isolieren«. Oder als Frage formuliert: »Was steht da?« (S. 5). Er wird umschrieben mit »Identifizieren und Dokumentieren der Information« (S. 7). Der Name des Bereichs, die Frage und die Umschreibung wollen nicht recht zusammenpassen, auch nicht mit den Standards:

Fazit

Zusammenfassend ist der Referenzrahmen als Instrument der systematischen Entwicklung der Informationskompetenz grundsätzlich zu begrüßen. Es ist jedoch vonnöten, die Informationskompetenz und ihre Teilkompetenzen zu definieren. Dies verbesserte nicht zuletzt die Verständlichkeit des Referenzrahmens für Lernende, die auch zur Zielgruppe zählten.

Beispielhaft an der Teilkompetenz Suchen wurde aufgezeigt, dass eine Überarbeitung der Standards geboten ist, sodass diese präzise, verständlich und hinsichtlich der Progression stimmig sind. Im Sinne der Kompetenzorientierung sollten sie auch als Can-do-Beschreibungen formuliert werden.

Eventuell hätte es dem Referenzrahmen gut getan, wenn an seiner Erarbeitung völlig verschiedene Akteure zur Entwicklung von Informationskompetenz aus Schule, Universität, Volkshochschule, Schulbibliothek, Stadtbibliothek, Universitätsbibliothek und vielen andern Institutionen beteiligt worden wären, ganz im Sinne des letzten Arbeitsschrittes der Teilkompetenz Weitergeben: »Netzwerke nutzen«.